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 Wissenschaft contra Jagd - Wildschweine 


Das Wildschwein (Sus scrofa) gehört zur Familie der altweltlichen oder echten Schweine (Suidae) aus der Ordnung der Paarhufer. Sie sind Allesfresser und sehr anpassungsfähig. Jährlich werden in Österreich rund 30.000 Tiere getötet. 


 Jägerargumentation

 

* Es gibt zuviele Wildschweine
* Der Wildschweinbestand vermehrt 
   sich explosionsartig
* Die Schäden in der Landwirtschaft 
   sind sehr hoch
* Wildschweine müssen vermehrt 
   bejagt werden



kurier.at vom 10.12.2010

Wildschweinplage: Niederösterreichs Weidmänner erhöhen den Jagddruck, um Schäden so gering wie nur möglich zu halten

... Europaweit haben die Bestände stark zugenommen. ...

... "Um Schäden vor allem an landwirtschaftlichen Kulturen zu vermeiden wollen wird heuer die Abschusszahlen um 20 Prozent erhöhen", sagt Lebersorger. ...


orf.at vom 06.11.2010 

Wildschweinbestände nehmen rasant zu 

... In weiten Teilen Österreichs leiden die Bauern unter einer regelrechten Wildschweinplage. Die Jägerschaft steht dem Problem rat- und hilflos gegenüber. ...

... 1950 wurden in Österreich 300 Wildschweine erlegt, 1990 waren es bereits 13.000 und 2008 sogar über 31.000. Das Schwarzwild hat sich in den letzten Jahrzehnten explosionsartig vermehrt - und ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. ...

... Besonders das Burgenland leidet unter der Plage. Im Bezirk Oberpullendorf haben Jäger in den letzten drei Jahren rund 6.000 Tiere erlegt - im ganzen Bundesland waren es allein in diesem Jahr 7.600 Wildschweine. Doch eine Eindämmung wurde damit nicht erzielt. ...

... „Die Wildschweine produzieren so viel Nachwuchs, dass wir mit dem Jagen nicht mehr nachkommen“, sagte der Bezirksjägermeister Reinhold Iby ....

... Mittlerweile haben sich die Tiere weit über ihre bisherige Verbreitungsregionen hinaus vermehrt, etwa in Oberösterreich. Auf ihren bis zu 20 Kilometer langen nächtlichen Wanderungen richteten sie heuer vor allem im Innviertel große Schäden an. Die Jäger sind ratlos, wie sie der Plage Herr werden sollen. Da es keine Schonzeiten für die Tiere gibt, werden sie rund ums Jahr geschossen. Ausgenommen sind nur trächtige Tiere und Mutterschweine. Doch das ist den Landwirten mittlerweile nicht mehr genug.

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 Fakten


Stärkere Vermehrung durch die Jagd

Durch die Jagd vermehren sich Wildtiere stärker als unter natürlichen Umständen, meint Prof. Dr. Josef H. Reichholf, der die Abteilung Wirbeltiere der Zoologischen Staatssammlung München leitet. Würden in einem Gebiet durch die Jagd, die ja vor allem im Herbst und Winter statt findet, viele Tiere getötet, hätten die Verbliebenen ein besseres Futterangebot. „Tiere, die gestärkt überleben, pflanzen sich im Frühjahr zeitiger und zahlenmäßig stärker fort“, sagte Reichholf. 
("Süddeutsche Zeitung" vom 28.01.2009)

Eine französische Langzeitstudie, die im renommierten „Journal of Animal Ecology“ veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis: Starke Bejagung führt zu einer deutlich höheren Fortpflanzung und stimuliert die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen. Die Wissenschaftler um Sabrina Servanty verglichen in einem Zeitraum von 22 Jahren die Vermehrung von Wildschweinen in einem Waldgebiet im Departement Haute Marne, in dem sehr intensiv gejagt wird, mit einem wenig bejagten Gebiet in den Pyrenäen. Das: Wenn hoher Jagddruck herrscht, ist die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen wesentlich höher als in Gebieten, in denen kaum gejagt wird. Weiterhin tritt bei intensiver Bejagung die Geschlechtsreife deutlich früher – vor Ende des ersten Lebensjahres – ein, so dass bereits Frischlingsbachen trächtig werden. Auch das Durchschnittsgewicht der erstmalig fruchtbaren Wildschweine ist bei hohem Jagddruck geringer.
In Gebieten, in denen wenig Jäger unterwegs sind, ist die Vermehrung der Wildschweine deutlich geringer, die Geschlechtsreife bei den Bachen tritt später und erst bei einem höheren Durchschnittsgewicht ein. 
(Servanty et alii, Journal of Animal Ecology, 2009. 
Siehe auch standard.at, "Mehr Jagd macht Wildschweine früher reif" vom 15.09.2009)

"Weder in Österreich noch sonst irgendwo ist eine Trendwende [hin zu weniger Wildschweinen. Anm.d.R.] erkennbar", betont Walter Arnold, Leiter des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die hiesige Populationsdichte könnte sich sogar noch verdreifachen. "Ich sehe nur wenig Chancen, das jagdtechnisch in den Griff zu bekommen."
(standard.at, "Mehr Jagd macht Wildschweine früher reif" vom 15.09.2009)



Zerstörung der Sozialstruktur 

Wildschweine haben eine sehr empfindliche Sozialstruktur: Eine Leitbache, die einmal im Jahr fruchtbar (rauschig) ist, führt die Rotte an. Die so genannte Rauschsynchronität sorgt dafür, dass die anderen Bachen in der Gruppe gleichzeitig fruchtbar sind. Auch hält sie die älteren Jungtiere, die „Überläufer“ in Zaum und verhindert damit größere Flurschäden. Wird die Leitbache erschossen, zersprengt dies die Rotte, die führungslosen Tiere brechen in die Felder ein, alle Bachen werden mehrmals im Jahr rauschig und vermehren sich völlig unkontrolliert.

Norbert Happ, der bekannteste deutsche Wildschweinkenner – selber Jäger – prangert an: „Die Nachwuchsschwemme ist hausgemacht“. Für die explosionsartige Vermehrung der Wildschweine seien die Jäger selbst verantwortlich: „Ungeordnete Sozialverhältnisse im Schwarzwildbestand mit unkoordiniertem Frischen und Rauschen und unkontrollierbarer Kindervermehrung sind ausschließlich der Jagdausübung anzulasten“, so Happ in der Jägerzeitung. Das bedeutet: Jagd löst keine ökologischen Probleme, sondern schafft sie erst.
("Wild und Hund" 23/2002)


Zufütterung durch "Kirrungen"

Über die möglichen Ursachen der Schwarzwildschwemme streiten sich
Biologen, Jäger und Tierschützer schon seit Jahren. Letztere behaupten,
dass vor allem die Wildfütterungen der Jäger Schuld seien. Tatsächlich
werden zum Beispiel in Südwestdeutschland Wildschweine mit
durchschnittlichen Futtermengen von mehr als 100 kg jährlich pro
geschossenes Tier praktisch gemästet.
(standard.at, "Mehr Jagd macht Wildschweine früher reif" vom 15.09.2009)

Natürlich hängt die Vermehrung Wildtieren auch vom Nahrungsangebot ab.
So wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der verstärkte Maisanbau zur Vermehrung der Wildschweine beitrage. Doch wie lange im Jahr stehen den Wildschweinen denn reife Maisfelder zur Verfügung? Sicher nicht länger als ein Monat im Jahr – Ende September wird der Mais geerntet.

Dagegen sorgen Jäger ganzjährig durch legale oder illegale Zufütterungen und so genannte „Kirrungen“ (also als Lockfütterung, um die Tiere besser schießen zu können) für ein unnatürlich hohes Nahrungsangebot – und tragen damit wiederum zur Vermehrung bei. Gerade Mais fördert nachweislich die Fruchtbarkeit von Wildschweinen. Zu den Mais-Kirrungen hinzu kommt die Fütterung mit Kraftfutter im Winter, die noch mal in ähnlicher Größenordnung liegen dürfte – und die vielen illegalen Fütterungen, die Naturschützer und Jagdgegner immer wieder aufdecken und zur Anzeige bringen.

Doch Jäger argumentieren lieber, dass die hohe Zahl der Eicheln und Bucheckern in den Wäldern verantwortlich für die Wildschweinschwemme sei. Darüber kann man eigentlich nur den Kopf schütteln: Den Tieren standen im Herbst schon immer Bucheckern und Eicheln zur Verfügung - früher eventuell sogar noch mehr, da der Wald gesünder war.
(openreport.de vom 12.03.2011)


Kann die Natur sich selbst regulieren?

Die Natur hatte eigentlich alles hervorragend geregelt: Erfahrene weibliche Wildschweine - die Leitbachen - sorgen für die Ordnung in der Rotte und für Geburtenkontrolle. Die Hormone der Leitbachen bestimmen die Empfängnisbereitschaft aller Weibchen der Gruppe und verhindern, dass zu junge Tiere befruchtet werden.

Dies wissen eigentlich auch die Jäger. So weist Berufsjäger Helmut Hilpisch darauf hin: „Wildschweine regulieren ihren Bestand selbst – zumindest dann, wenn sie in intakten Familienverbänden unterwegs sind. Dann sorgt ihr Sozialverhalten dafür, dass nur einzelne weibliche Tiere rauschig werden: Lediglich die älteren Bachen werden dann befruchtet. Fehlen diese älteren Bachen, werden auch jüngere weibliche Tiere schnell trächtig“. 
("Siegener Zeitung" vom 18.10.2008)

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Wozu dann jagen?

... "Wenn immer mehr Wildtiere geschossen werden, weil es immer mehr gibt, müssen dann noch mehr geschossen werden, damit es weniger werden?" Diese provokante Frage stellte der Wiener Zoologe Doz. Dr. Wolfgang Scherzinger bereits 1995 in seinem Buch "Naturschutz im Wald" (Ulmer). Auch bei jeder Jägertagung ist die jährlich höhere - seit langem unnatürliche -  Wilddichte, die für einen Dauerkonflikt zwischen Forst und Jagd sorgt, heftigst diskutiertes Thema.
(ots.at vom 09.11.2010 von VIER PFOTEN)

Der Zoologe Ragnar Kinzelbach von der Universität Rostock ist überzeugt:
„Letztlich dient die Jagd nur dem Spaß und der Befriedigung der Mordlust der Jäger. Die Jagd ist überflüssig. Wenn man sie einstellt, regulieren sich die Bestände von allein.“
("Süddeutsche Zeitung" vom 28.01.2009)


Die Jagd ist heute ein Hobby, ein Freizeitvergnügen – und in ihren Jagdzeitschriften geben die Jäger ihre „Lust am Töten“, die „Freude am Beutemachen“ und den „Kick“ beim Schuss inzwischen offen zu. Ein Jäger hat über dieses Thema sogar seine Doktorarbeit geschrieben - und diese wurde in der Jagdpresse unter der Überschrift „Keine Angst vor der Lust“ (WILD UND HUND 24/2003) entsprechend gefeiert. 
In der Dissertation heißt es ganz offen: „Weltweit wird die Wildjagd unserer Zeit selten noch aus rein praktischen Motiven (z.B. Nahrungsjagd), sondern um eines starken emotionalen Erfolges Willen (der Kick beim Töten des Tieres, Freude, Glück, Zerstreuung, Entspannung, Abenteuer) oft mit großer Leidenschaft und Hingabe betrieben.“ (Günter Reinhold Kühnle: Die Jagd als Mechanismus der biotischen und kulturellen Evolution des Menschen, 2003. http://ub-dok.uni-trier.de/diss/diss45/20030120/20030120.htm)

Dieses Hobby-Töten kann die überwiegende Mehrheit der Menschen heute nicht mehr gutheißen. Repräsentative Umfragen der letzten Jahre zeigen
übereinstimmend: 64% der Österreicher und 70-80% der Deutschen stehen der Jagd kritisch gegenüber oder fordern sogar die Abschaffung der Jagd. 
(Quellen: Österr. Gallup-Institut 2007, GEWIS-Institut 1996; GEWIS-Institut 2002; EMNID-Institut 2003, EMNID-Institut 2004)

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